Bundesverwaltungsgericht erteilt Oberbürgermeistern Maulkorb

Das Bundesverwaltungsgericht hat  die politischen Handlungsmöglichkeiten von Oberbürgermeistern und anderen kommunalen Amtsträgern erheblich eingeschränkt. Ein Oberbürgermeister sei zwar als kommunaler Wahlbeamter grundsätzlich befugt, sich im Rahmen seines Aufgabenbereichs zu Themen der örtlichen Gemeinschaft öffentlich zu äußern. Diese Befugnis unterliege jedoch Grenzen. Aus dem Demokratieprinzip folge, dass ein Amtsträger sich zwar am politischen Meinungsbildungsprozess der Bevölkerung beteiligen, ihn aber nicht lenken und steuern dürfe. Dabei sei es ihm nicht gestattet, „die Ebene des rationalen Diskurses“ zu verlassen oder die Vertreter anderer Meinungen ausgrenzen, so das Gericht in einer Presseerklärung.

Gegen diese Grundsätze verstieß nach Auffassung des Gerichts der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD). Er hatte gegen eine Demonstration unter dem Motto „Düsseldorfer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ zu einer Gegendemonstration aufgerufen und ab Beginn der ausländerfeindlichen Demonstration an verschiedenen öffentlichen Gebäuden der Stadt die Beleuchtung ausschalten lassen. Zugleich rief er die Düsseldorfer Bürger und Geschäftsleute auf, die Beleuchtung an ihren Gebäuden ebenfalls auszuschalten, um ein „Zeichen gegen Intoleranz und Rassismus“ zu setzen.

Der Aufruf zur Teilnahme an einer Gegendemonstration greife in unzulässiger Weise in den Meinungsbildungsprozess der Bevölkerung ein, so nun das Bundesverwaltungsgericht. Mit dem Aufruf, das Licht auszuschalten, und dem tatsächlichen Ausschalten der Beleuchtung an städtischen Gebäuden habe Geisel zudem die Grenzen der Äußerungsbefugnis, sich in sachlicher und rationaler Weise mit den Geschehnissen in der Stadt Düsseldorf auseinanderzusetzen, überschritten und den „Bereich politischer Kommunikation durch diskursive Auseinandersetzung verlassen.“

Das Bundesverwaltungsgericht korrigiert damit die Entscheidungen der Vorinstanzen. Das Verwaltungsgericht verurteilte das Verhalten des Oberbürgermeisters nicht, das Oberverwaltungsgericht beanstandete nicht den Aufruf zur Gegendemonstration.

 

BGH kippt weitere Entgeltklauseln der Banken

Der Bundesgerichts hat erneut die Rechte von Verbrauchern gegenüber ihren Banken gestärkt. So erklärte er mehrere vorformulierte Entgeltklauseln einer Sparkasse für unwirksam. Die Richter hebten die Gebühren für annullierte Daueraufträge und für die Unterrichtung über zu Recht abgelehnte Lastschriften auf.

Zur Presseerklärung des BGH: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2017&Sort=3&nr=79500&pos=1&anz=141

EU-Präsident Juncker fordert Euro in allen EU-Ländern und weiteren Abbau der Grenzkontrollen

Der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, fordert die Einführung des Euro in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. „Der Euro sollte mehr sein als die Währung einer Reihe ausgewählter Länder“, so Juncker. Dies würde bedeuten, dass auch Polen und Ungarn, die sich zunehmend von der Europäischen Union entfremden, aber auch arme Länder wie Rumänien und Bulgarien den Euro als Zahlungsmittel einführen. Zudem will er die sogenannte Schengenzone auf alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausdehnen mit der Folge des Abbaus aller noch verbliebener Grenzkontrollen innerhalb der Union.

Machtpolitiker und Intellektueller: zum Tode von Heiner Geißler

Mit Heiner Geißler verliert Deutschland einen seiner intellektuell herausragenden Politiker. Der Jesuit und Sozialpolitiker stand für eine moderne CDU, vor allem ihm verdankte sie den Wandel vom  Kanzlerwahlverein zur modernen Volkspartei. Geißler konnte aber auch den politischen Gegner provozieren wie kaum ein anderer. „Ohne den Pazifismus der dreißiger Jahre wäre Ausschwitz nicht möglich gewesen“, so seine auf die Grünen gemünzte Formulierung. Im Streit um die Nachrüstung nannte er die SPD einmal „fünfte Kolonne der anderen Seite.“ Wegen solcher Formulierungen wurde er von Willy Brandt Hetzer genannt, „seit Goebbels der schlimmste Hetzer in diesem Land“. Von 1977 bis 1989 war Geißler Generalsekretär der CDU, allerdings mehr General als Sekretär. Er sah sich als geschäftsführender Vorsitzender, was Kohl zunehmend missfiel. 1989 kam es zum Bruch zwischen den beiden. Geißler versuchte Lothar Späth als Vorsitzenden zu installieren, was misslang. Kohl sah darin einen Putschversuch und betrachtete Geißler fortan als Verräter. In den Folgejahre konnte man Geißler zunehmend als linksliberalen Intellektuellen und nachdenklichen Christen wahrnehmen. Schon sehr früh setzte er sich für eine multikulturelle Gesellschaft ein und sprach sich gegen die Ausgrenzung von Randgruppen aus. Er wandte sich gegen den aufkommenden Neoliberalismus und plädierte für die Anerkennung Deutschlands als Einwanderungsland.

Bild: By Heike Huslage-Koch (Own work) [CC BY-SA 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons

 

Wahlkampf isoliert Deutschland in der europäischen Türkeipolitik

Die Forderung des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz im Wahlkampf, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu beenden, findet in den Europäischen Gremien keine Zustimmung. Die Forderung von Schulz, der sich – wenn auch zögerlich – auch die wahlkämpfende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) angeschlossen haben, findet nur die Unterstützung des ebenfalls sich im Wahlkampf befindlichen Außenminister Österreichs, Sebastian Kurz (ÖVP). Die große Mehrheit der in Tallinn versammelten Außenminister lehnten bereits eine Diskussion über einen etwaigen Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ab.

EuGH: Ungarn und Slowakei müssen Flüchtlinge aufnehmen

Der Europäische Gerichtshof hat die Klagen von Ungarn und der Slowakei gegen die Aufnahme von Flüchtlinge abgewiesen. Als Reaktion auf die Flüchtlingskrise, hatte der Rat der Europäischen Union einen Beschluss erlassen, um Italien und Griechenland bei der Bewältigung des massiven Zustroms von Migranten zu unterstützen. Der Beschluss sieht vor, dass 120 000 Personen, die unzweifelhaft internationalen Schutz benötigen, über einen Zeitraum von zwei Jahren aus diesen beiden Mitgliedstaaten in die anderen Mitgliedstaaten der Union umgesiedelt werden. Der angefochtene Beschluss erging auf der Grundlage von Art. 78 Abs. 3 AEUV, der bestimmt: „Befinden sich ein oder mehrere Mitgliedstaaten aufgrund eines plötzlichen Zustroms von Drittstaatsangehörigen in einer Notlage, so kann der Rat auf Vorschlag der Kommission vorläufige Maßnahmen zugunsten der betreffenden Mitgliedstaaten erlassen. Er beschließt nach Anhörung des Europäischen Parlaments.“ Die Slowakei und Ungarn, die wie die Tschechische Republik und Rumänien im Rat gegen die Annahme des Beschlusses gestimmt hatten, beantragten beim Gerichtshof, den Beschluss für nichtig zu erklären. Diese Klagen wies der EuGH ab. Diese Regelung trage, so das Gericht, tatsächlich und in verhältnismäßiger Weise dazu bei, dass Griechenland und Italien die Folgen der Flüchtlingskrise von 2015 bewältigen können.

Bild: By Bdx (Own work) [CC0], via Wikimedia Commons, this file is made available under the Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedication.

Presseerklärung des Gerichts: https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2017-09/cp170091de.pdf

TV-Duell: Wohl kein ausreichender Rückenwind für Schulz

Trotz leichter Vorteile im TV-Duell mit Angela Merkel ist Martin Schulz wohl nicht der entscheidende Durchbruch hin zu einer Wende im Wahlkampf gelungen. Bei Merkel war erneut erkennbar, dass sie diese Art der Auseinander nicht sonderlich mag. Schulz dagegen wirkte insgesamt schlagfertiger. Sein Manko war allerdings, dass er sich inhaltlich nicht deutlich genug von Merkel abgrenzen konnte. Merkel parierte die Angriffe von Schulz immer wieder mit Hinweis auf die gemeinsame Regierungspolitik in der großen Koalition. Wie im bisherigen Wahlkampf insgesamt zeigte sich auch in dem TV-Duell, dass es ein Fehler der SPD war, nach der großen Koalition von 2005 bis 2009, die mit einem desaströsen Wahlergebnis für die SPD endete, nach der letzten Bundestagswahl erneut als Juniorpartner eine große Koalition einzugehen. Wie 2005 hätte es auch 2013 eine Mehrheit gegen die Union und Merkel gegeben. Eine solche Mehrheit zeichnet sich – auch nach diesem TV-Duell – bei dieser Wahl nicht ab.

Kassel-Calden: Eine Millionen Euro jährlich aus Steuermitteln für Sundair?

Offenbar hat sich die Flughafen GmbH Kassel verpflichtet, für die Dauer von acht Jahren jährlich eine Millionen Euro an die Fluggesellschaft Sundair zu zahlen, damit diese eines ihrer Flugzeuge auf dem Flughafen stationiert. Dies berichten das Handelsblatt und die Wirtschaftswoche. Mit dieser Summe wären ein Sechstel der Betriebskosten der Fluggesellschaft gedeckt. Diese bestätigte lediglich eine Vereinbarung mit dem Flughafen, bestritt aber die Höhe der Zahlungen. Anteilseigner der Flughafen GmbH Kassel sind das Land Hessen, Stadt und Landkreis Kassel sowie die Gemeinde Calden. Diese haben nicht nur die Baukosten in Höhe von 282 Millionen Euro aus Steuermitteln gezahlt, sondern stehen auch für die Verluste des Flughafens von sechs Millionen Euro jährlich gerade.

Trotz Neutralitätspflicht: Steinmeier verurteilt rassistische Äußerungen von AfD-Spitzenkandidat Gauland

Bundespräsident Steinmeier hat gegenüber dem Berliner Tagesspiegel die rassistischen Äußerungen des Spitzenkandidaten der AfD, Alexander Gauland, scharf kritisiert. Ohne Gauland beim Namen zu nennen sprach er von einem Tiefpunkt in der politischen Auseinandersetzung und geistiger Brandstiftung. „Deutschlands dunkelstes Kapitel der Geschichte begann, als Deutsche zu Nicht-Deutschen erklärt wurden, ihnen Bürgerrechte und Staatsangehörigkeit entzogen und sie zur Ausreise getrieben wurden“, so Steinmeier. Gauland hatte eine Äußerung der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung Aydan Özoguz (SPD), wonach eine spezifisch deutsche Kultur jenseits der Sprache nicht auszumachen sei, wie folgt kommentiert: „Das sagt eine Deutschtürkin. Ladet sie mal ins Eichsfeld ein und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist. Danach kommt sie hier nie wieder her, und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können.“

Steinmeier Äußerung ist auch deshalb bemerkenswert, weil er als Bundespräsident zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet ist. Dies gilt insbesondere unmittelbar vor einer Bundestagswahl.

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