Lübcke-Mord: Der Feind steht rechts

„Der Feind steht rechts“. Es war kein Sozialdemokrat oder Kommunist, sondern Reichskanzler Joseph Wirth vom Zentrum, der Vorläuferpartei der CDU, der nach der Ermordung von Außenminister Walter Rathenau dies in einer emotionalen Rede im Reichstag ausrief. Wie Rathenau wurde Lübcke ermordet, weil er für eine freie, offene und tolerante Gesellschaft eintrat. Wem das Grundgesetze und unsere Rechtsordnung nicht passe, der könne ja gehen, rief Lübcke 2015 in einer Bürgerversammlung aus und brachte die anwesende „Volksseele“ zum Kochen. Es folgten rechte Hetze und Morddrohungen. Vor diesem Hintergrund ist es bedrückend, wie aktuell die Worte Wirths noch heute sind: „In diesem Sinne müssen alle Hände, muss jeder Mund sich regen, um endlich in Deutschland diese Atmosphäre des Mordes, des Zankes, der Vergiftung zu zerstören! Da steht (hier dreht sich Wirth zu den Abgeordneten der Rechtsparteien -red.) der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt – Da steht der Feind – und darüber ist kein Zweifel: Dieser Feind steht rechts!“

Gauck verkennt Werteordnung des Grundgesetzes

Mit seiner Forderung für eine „erweiterte Toleranz in Richtung rechts“ für jene Menschen, für die „Sicherheit und gesellschaftliche Konformität“ wichtiger sei als Freiheit, Offenheit und Pluralität greift der ehemalige Bundespräsident Gauck die Grundlage unserer Gesellschaft an – nämlich die Werteordnung des Grundgesetzes. Denn das Grundgesetz will eine Gesellschaft errichten, die frei, offen und plural ist. Deshalb haben die Grundrechte einen so hohen Stellenwert und sichern Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Berufsfreiheit und Kunstfreiheit gegenüber staatlichen und privaten Übergriffen. Sie bewähren sich gerade bei Angriffen einer konformen Mehrheit gegenüber Minderheiten wie Ausländern, Moslems, Juden, Schwulen oder nicht konform Denkenden. Diese Freiheit gilt natürlich auch für jene, denen Sicherheit und Konformität wichtiger ist als Freiheit, Offenheit und Pluralität. In der Gesellschaft des Grundgesetzes ist es selbstverständlich erlaubt, dies offen zu vertreten. Es muss aber klar sein, dass diese Menschen die Werteordnung des Grundgesetzes zu Gunsten einer autoritären und konformen Ordnung verändern wollen. Gerade die höchsten Repräsentanten unserer Demokratie dürfen nicht müde werden, dies immer wieder herauszustellen – auch dann, wenn sie nicht mehr im Amt sind. Gauck macht genau das Gegenteil.
Bild: Deutscher Bundestag / Achim Melde