(pm/red) „Das Artensterben ist Fakt. Es brummt und summt immer weniger in unserer Landschaft“, sagt Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), anlässlich der Vorstellung einer aktuellen Emnid-Umfrage für den BUND über das Insektensterben. „Die Lage ist dramatisch schlecht und verlangt nach wirksamen Lösungen. Und wieder einmal ist die Bevölkerung weiter, als es die Regierungskoalition ist. Eine überragende Mehrheit von 79 Prozent der Bevölkerung verlangt, dass es verbindliche Regelungen geben muss, die die Insekten schützen“, so der BUND-Vorsitzende weiter. Tatsächlich erleben viele Menschen vor Ort das Sterben der Insekten als dramatisch. So sagten 72 Prozent der Bevölkerung, dass es in ihrer Region weniger Insekten gebe. Eine Vielzahl von Studien deute darauf hin, dass die Intensivierung der Landwirtschaft maßgeblich zum Insektensterben beiträgt. Die repräsentative Emnid-Umfrage untermauere Forderungen des BUND, dass es zu Änderungen in der Agrarpolitik kommen müsse. Eine Mehrheit der Bevölkerung von 67 Prozent spricht sich dafür aus, die Landwirtschaft zum Insektenschutz zu verpflichten. Gleichzeitig wollen 87 Prozent der Befragten den Bäuerinnen und Bauern dafür auch finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. „Diese deutlichen Ergebnisse zeigen, dass es an der Zeit ist, dass das Agrarministerium seine bisherige Politik der Freiwilligkeit über Bord wirft. Insektenschutz muss verbindlich geregelt werden und geht auch die Landwirtschaft an“, betont Hubert Weiger. „Julia Klöckner muss sich dafür einsetzen, dass die Agrarförderung in Deutschland und auf EU-Ebene umgebaut wird. Geld darf es nur noch nach dem Prinzip ‚öffentliche Gelder für öffentliche Leistung‘ geben.“ Mit dem Rückenwind aus dem bayrischen Volksbegehren und den hohen Zustimmungswerten in der Bevölkerung wird der BUND das Insektenaktionsprogramm der Bundesregierung in den nächsten Wochen und Monaten – auch im Rahmen einer Kampagne – intensiv begleiten und sich für einen starken Schutz der Insekten einsetzen. Die Erfolgskriterien für ein gelungenes Maßnahmenpaket sind dabei aus Sicht des BUND klar umrissen: So braucht es für Insekten Lebensräume in der Agrarlandschaft, die durch Hecken und Säume aber auch durch mehr Ökolandbau geschaffen werden. Auf Europäischer Ebene muss die Agrarförderpolitik sowie das Pestizidzulassungsverfahren überarbeitet werden. Weiterhin ist es unerlässlich, dass die Bundesregierung einen Ausstiegsplan für Glyphosat in Deutschland bis 2021 beschließt. „Gerade im Bereich der Pestizidzulassung muss es zu Änderungen kommen“, sagt der BUND-Vorsitzende. Langfristige Risiken, die Komplexität von Organismen und Ökosystemen sowie die Kombinationswirkung von in der Praxis angewendeter Mittel seien gründlicher sowie unabhängig und transparent zu prüfen. „Die Pestizidzulassung ist dringend reformbedürftig und die bisherige Handhabung von Pestiziden muss zwingend geändert werden. Der Einsatz von Pestiziden in besonders schutzbedürftigen Bereichen wie Natur- und Wasserschutzgebieten sowie im Siedlungsbereich muss komplett verboten werden“, mahnt Hubert Weiger. „Wenn vor der Sommerpause ein wirksames Paket im Kabinett beschlossen wird, haben Svenja Schulze und Julia Klöckner ihre Hausaufgaben gemacht und wir sind einen guten Schritt vorangekommen, unsere Lebensgrundlage zu schützen und den Insekten zu helfen.“
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Weitere Studie belegt weltweiten Rückgang der Insekten
Einer neuere Studie zufolge gehen die Insekten nicht nur in Deutschland, sondern weltweit stark zurück. Nach der Auswertung von 73 verschiedenen Studien kommen australische Forscher zu dem Schluss, dass die Biomasse der Insekten weltweit jährlich um 2,5% zurückgeht. Betroffen sind fast die Hälfte aller Insektenarten, insbesondere Schmetterlinge, Bienen, Wespen, Ameisen und Dungkäfer. Besonders alarmierend ist, dass zunehmend Insekten betroffen sind, die sich in vielen Lebensräumen wohlfühlen und die unterschiedliche Futterquellen nutzen. Diese galten bisher als weniger gefährdet. Setzt sich die Entwicklung fort, dann halten die Forscher das Aussterben vieler Insektenarten in 100 Jahren mit katastrophalen Konsequenzen für möglich. Der Übersichtsartikel des Teams um den australischen Ökologen Francisco Sánchez-Bayo vom Sydney Institute of Agriculture ist in der Fachzeitschrift Biological Conservation veröffentlicht.
Kassel: Gartenamt mäht Bepflanzung auf privatem Grundstück nieder
Im Kasseler Stadtteil Harleshausen hat das städtische Gartenamt im Zuge von Schlegelmäharbeiten auch die Bepflanzung auf einem privatem Grundstück zerstört. „Das Gartenamt Kassel mäht auf unserem Grundstück einfach meinen Rhabarber weg“, so Erik Kersting. Er ist auch deshalb erbost, weil er seit Monaten Gespräche mit Lokalpolitikern führt, um auf dem angrenzenden städtischen Grund im Interesse der Bienen und anderen Insekten eine Blühwiese einzurichten. Auf seinem Grundstück hatte er Bienenweide ausgesät, um seinen eigenen, kleinen Beitrag gegen das Bienensterben zu leisten. Diese Bemühungen sieht er jetzt gefährdet. In unmittelbarer Nähe befinden sich fünf Bienenstöcke.
Bilder: Erik Kersting
Insektensterben: Freie Wähler Hessen kritisieren Landesregierung wegen Untätigkeit
Die Freien Wähler Hessen kritisieren die Untätigkeit der Landesregierung bezüglich der jüngst vorgestellten Studie zum Insektensterben in Deutschland. „Die vorgestellten Zahlen sind erschreckend und haben sich lange abgezeichnet. Trotz der errechneten Bestandseinbrüche um rund 75% ist die schwarz-grüne Landesregierung ohne Ideen, wie sie dem begegnen soll“, so Engin Eroglu, Landesvorsitzender der Freien Wähler Hessen. „Für uns Menschen sind die Folgen des Insektensterbens unabsehbar. Ohne Bestäubung kein pflanzliches Leben, kein Ertrag von Feldfrüchten und kein Obstanbau. Hier muss umgehend gehandelt werden!“ So müsse die Landesregierung einen Aktionsplan aufstellen, wie dem Artenrückgang in Hessen entgegenzuwirken sei. Hierzu gehören auch Studien, die ergründen, ob der Insektenrückgang dem Klimawandel, der industrialisierten Landwirtschaft mit Einsatz von Pestiziden oder der Versiegelung von Flächen geschuldet sei. „Eigentlich hielt ich Artenschutz als eines der Kernthemen der mit der CDU koalierenden Grünen, aber offenbar muss man sich fragen, wieviel Grün noch in der Partei ‚Die Grünen‘ steckt“, betont Eroglu abschließend. „Umso mehr werden jetzt die Freien Wähler im Landtag benötigt, die die Probleme praktisch angehen und Lösungen anbieten.“
Dramatischer Rückgang der Insekten
In Deutschland ist seit 1986 ein dramatischer Rückgang von 76% der Insekten festzustellen. Im Hochsommer beträgt der Rückgang sogar 82%. Dies ist das Ergebnis einer Langzeitstudie, die Caspar Hallmann von der Radboud-Universität in Nijmwegen mit der Unterstützung von ehrenamtlichen Insektenkundlern des Entomologenverieins Krefeld vorgenommen hat. Betroffen sind alle flugfähigen Arten von Insekten wie Schmetterlinge, Bienen, Wespen und Motten. Diese Insekten sind wichtig als Bestäuber von Wild- und Nutzpflanzen sowie als Nahrung für Vögel. Die genaue Ursache dieses Rückgangs wurde in der Studie nicht ermittelt. Zu vermuten ist jedoch, dass der Rückgang im Zusammenhang steht mit der Zerstörung des Lebensraums der Insekten, dem Klimawandel und der Änderung der Landnutzung. Diese Faktoren allein erklären jedoch den dramatischen Rückgang nicht.
Die Studie ist in der Online-Zeitschrift PlosOne erschienen.