Bundesverfassungsgericht: 3%-Klausel bei Europawahl verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat mit einer knappen Mehrheit von fünf zu drei Richterstimmen entschieden, dass die erst kürzlich eingeführte 3%-Klausel bei der Europawahl mit dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit unvereinbar und damit grundgesetzwidrig ist. Zu Recht. Dieser sehr formal anzuwendende Grundsatz besagt, dass alle bei einer Wahl abgegebenen Stimmen den gleichen Wert haben müssen. Die streitbefangene Klausel bewirkt jedoch, dass jene Stimmen, die für Parteien abgegeben wurden, die diese Hürde nicht überspringen, keinen Wert haben. Damit besteht zwischen diesen Stimmen und jenen Stimmen, die auf die Parteien entfallen sind, in das Parlament einziehen, keine Gleichheit.

Allerdings kann die Begründung des Gerichts nicht überzeugen. Denn eine Wahlrechtsungleicheit haben wir auch bei den Bundes- und Landtagswahlen. Hier gilt sogar eine 5%-Klausel. Diese wird damit gerechtfertigt, dass unsere nationalen Parlamente die Aufgabe haben, eine Regierung zu bilden. Viele kleine Parteien würden diese Aufgabe erschweren. Das Europaparlament habe diese Aufgabe (noch) nicht. Außerdem bestehe das Europaparlament bereits aus Vertretern von über 160 Parteien, so das Bundesverfassungsgericht. Fünf weitere kleine Parteien aus Deutschland würden den Charakter des Parlaments deshalb nicht verändern.

Richtiger dürfte die Einsicht sein, dass auch die 5%-Klausel bei den Bundes- und Landtagswahlen gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl verstößt. Die Wahlrechtsgrundsätze sichern den demokratischen Charakter der Wahlen. Dies gilt insbesondere für die Wahlrechtsgleichheit. Nur eine Wahl, bei der alle Stimmen das gleiche Gewicht haben, ist eine demokratische Wahl. Hier kommt hinzu, dass diese Klauseln die Gründung neuer Parteien zumindest behindern. Begünstigt werden die bereits etablierten und großen Parteien – jene Parteien also, die diese Klauseln eingeführt haben und jetzt verteidigen.