Martin Luther: Viel mehr als ein Antisemit

Natürlich sind Luthers Äußerungen über die Juden furchtbar. Allen voran seine Hetzschrift „Von den Juden und ihren Lügen“.  Ihn darauf zu reduzieren oder dies auch nur in den Vordergrund zu stellen ist jedoch falsch. Seine historische Leistung besteht darin, die Bibel mit seiner wortgewaltigen Sprache ins Deutsche übersetzt zu haben. Jeder konnte die Bibel plötzlich lesen und verstehen. Nicht nur jene, die Latein sprachen, also der Klerus und die gebildete Oberschicht. Mit Luthers verständlicher Übersetzung entfiel vor allem deren Monopol der Auslegung der Bibel. Deren Auslegung griff Luther mit seiner zentralen Botschaft frontal an: Gott ist nicht käuflich, sondern gnädig. Und: Die Bibelauslegung soll nicht länger Gelehrten und dem Papst überlassen werden. Allein die Bibel selbst ist Richtschnur für Glaubensfragen. Die schnelle Verbreitung seiner Lehre wurde ermöglicht durch Gutenbergs Revolutionierung des Buchdrucks. Bücher wurden erschwinglich und waren nicht länger einer kleinen Oberschicht vorbehalten. Die Gläubigen lasen plötzlich selbst die heilige Schrift und wurden in die Lage versetzt, die überkommenen Lehren der Herrschenden zu prüfen und zu hinterfragen. Ein ungeheurer Vorgang. Und ein bedeutender historischer Fortschritt. Vor allem dies verdanken wir Luther.

Bild: workshop of Lucas Cranach the Elder [Public domain], via Wikimedia Commons